Müssen wir hier jetzt auch noch über „Böhmergate“ sprechen? Ja, denn das Thema ist in der Tat zu wichtig, um sich nicht damit auseinanderzusetzen.
Denn im Kern geht es um Freiheit – in diesem Fall die Freiheit seine Meinung zu äußern. Ein Grundrecht, dass im Artikel 5 der deutschen Verfassung verankert ist. Ein Grundrecht, dass uns so natürlich erscheint wie das Atmen, aber vielen Menschen auf der Welt verwehrt ist. Wir leben in einer Welt, indem wir grundsätzlich erstmal sagen dürfen, was wir meinen. Wir dürfen uns streiten und sogar verschiedener Meinung sein. Dabei geht es nicht darum, ob das was wir sagen, Tatsachen entspricht oder nicht. Wir dürfen ganz einfach unsere Überzeugungen haben, auch wenn sie komplett von der Meinung der Mehrheit abweichen, und dürfen diese äußern – auch ganz subjektive Werturteile. Das ist eine der fundamentalen Säulen einer Demokratie.
Grundsätzlich. Denn auch grundgesetzlich verankerte Rechte stehen immer in Beziehung zu anderen Grundrechten, wie der Schutz der Menschenwürde in Art1 Abs 1 GG, der Freien Entfaltung der Persönlichkeit in Art 2 Abs 1 GG, oder die Religionsfreiheit Art.4 GG, und daraus folgenden Gesetzen. Das sind die Momente, in dem wir abwägen müssen, welches „Gut“ mehr Schutz braucht und welches „Gut“ dafür eine Einschränkung erfährt. Wir müssen uns im Einzelfall immer wieder mit der Abwägung und der Grenzziehung auseinander setzen – und das ist auch gut so, denn so werden wir immer wieder gezwungen, uns die Frage zu stellen, was im konkreten Fall unter Einbeziehung aller relevanten Faktoren, Tatsachen und Informationen „schützenswerter“ ist. Das ist je nach Sachverhalt manchmal einfacher, aber gerade in Fällen der Satire oft sehr schwer zu entscheiden. Und auch das ist gut so, denn die Satire stößt uns immer wieder dorthin, Sachverhalte aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Wir dürfen uns über sie auslassen, uns vortrefflich über die Frage streiten „ob das noch okay ist“. Satire rüttelt und schüttelt uns und zupft an den Wurzeln unserer Demokratie und dafür bin ich zutiefst dankbar. Denn die Satire zeigt uns die Vielfalt aller Meinungen auf – sie polarisiert, sie unterhält, sie regt zum Nachdenken an, sie deckt auf und sie zeigt eines ganz klar: In ihr steckt eine ungeheuerliche Kraft. Wir haben hier auf der einen Seite Jan Böhmermann – zugegeben nicht ganz unbekannt, aber jetzt auch nicht eine weltweite Galionsfigur, der es schafft, mit seinem „Schmähgedicht“ das Staatsoberhaupt der Türkei aus dem Konzept zu bringen und eine Staatsaffäre auszulösen. Damit wird plötzlich klar und deutlich, in welchem Zustand der Entdemokratisierung sich die Türkei befindet. Diese Satire hat in wenigen Minuten eine enorme Leistung vollbracht. Sie hat den Scheinwerfer auf eine hoch brisante, extrem gefährliche Entwicklung in Europa gerichtet und diese einem extrem breiten Publikum vor Augen geführt. Das sollte uns bei dieser ganzen Diskussion bewusst sein.
Im Wissen und Vertrauen darauf, dass Deutschland sich mit seinem Grundgesetz zu einer echten und freien Demokratie bekennt, bin ich zuversichtlich, dass am Ende des Tages alle Entscheidungen, die rund um Böhmergate gerichtlich getroffen werden, diesen Grundsatz widerspiegeln.
Wenn nicht, dann bleibt mir nur die Satire.
Die Fakten im Überblick:
http://www.spiegel.de/kultur/tv/jan-boehmermann-das-sind-die-fakten-der-staatsaffaere-a-1086571.html